Monika Girls High School

Wie eine kleine Nachbarschaftsinitiative ein ganzes Tal verändert

Studentinnen im Bagrot Tal

Wir möchten euch wieder eine besondere Nachbarin vorstellen – aus der Reihe „Eilbeker Porträts“.

Monika Schneid lebt genau an der Grenze Eilbek-Hamm und hat das Leben von vielen Menschen beeinflusst. Jetzt fragt ihr euch sicher, wie. Die Geschichte ist wirklich unglaublich und einfach wahnsinnig toll.

Wie alles begann

Monika ist Ethnologin und lebte und forschte 1990 und 1991 in einem entlegenem Tal in Pakistan, nahe der Grenze zu China. Das 25 km lange Bagrot-Tal inmitten des Karakorum-Gebirges. Und ja, auch wir mussten erstmal Google Maps anwerfen ;).

Es ist übrigens ein sehr schönes Tal mit Gletschern, Bächen und in der Mitte der Bagrot-Fluss. Die Landschaft mit den 6000 bis fast 8000 m hohen Berggipfeln ist spektakulär.

Im Tal leben ca. 9000 Menschen, sie sprechen die schriftlose Sprache Shina und betreiben Landwirtschaft und Viehzucht. Erst seit Anfang des 21. Jh. gibt es Strom im Tal, aber auch nicht immer. Seit 1927 existiert dort eine Jungenschule.

Einige Mädchen wurden damals zuhause auf Grundschulniveau unterrichtet, die meisten erhielten keinerlei Bildung, das heißt, sie konnten auch kein Urdu sprechen, lesen und schreiben, die offizielle Sprache Pakistans. Offiziell existierten Mädchenschulen im Tal, es gab jedoch keine Lehrkräfte.

Mit Unterstützung ihrer Gastgeberfamilie gründete Monika als Nachbarschaftsinitiative die Monika Girls High School. 1992 konnten 20 Mädchen von einem Lehrer in einem Privathaus unterrichtet werden.

Mädchen im Bagrot Tal
Bagrot Tal Pakistan

Unteres Bild: Hussainian786 (CC BY-SA 4.0)

Die Schule wächst und wächst

Erste Mädchenschule im Bagrot Tal

Erstes Schulgebäude

Ein Jahr später waren es 40, noch ein Jahr später bereits 70 Schülerinnen.
Die Schule zog in ein altes, heruntergekommenes Schulgebäude im Dorf Datuchi-Kot um. Mit privaten Mitteln und Spenden aus Deutschland wurden weitere Lehrer und Lehrerinnen eingestellt.

Als Monika 1995 nach Pakistan zurückkehrte, besuchten bereits 118 Mädchen die Schule! Sie kamen aus dem ganzen Tal. Einige Mädchen mussten eine Stunde und länger zu Fuss zur Schule gehen, für uns überhaupt nicht vorstellbar. Aber die Mädchen wollten lernen, sie waren wissbegierig und fleißig und viele von ihnen bestanden das Abschlussexamen mit Bravour.

Schülerinnen 1995

Die anfänglichen Bedenken der Eltern, dass die Mädchen ihre Pflichten im Haushalt vernachlässigen würden, haben sich zerstreut. Es brauchte Zeit und Geduld, aber schlussendlich waren sie überzeugt, dass ihre Töchter Bildung brauchen und unterstützten sie nach Kräften.

Mit Hilfe des Vereins Forum Kinder in Not e.V. konnte Monika die Lehrkräfte finanzieren, Lehrmaterialien einkaufen und die dringendsten Reparaturarbeiten am Gebäude durchführen lassen. Der Verein unterstützt das Projekt bis heute.

Es hat 12 Jahre gedauert, bis der Staat die Schule für die Klassen 1 bis 8 anerkannte und zwei neue Schulgebäude errichtete.

neues Gebäude 2004
2. neues Gebäude 2004

Überall im Tal eröffnen Grundschulen und das erste Mädchen-College

Im Jahr 2005 konnte die Schule die Sekundarstufe II einrichten, die Klassen 11 bis 13, später auch die Klasse 14. Das „Girls College“ von Bagrot, das seit 2019 stattlich anerkannt ist. 2014 konnte die Schule zum ersten Mal an allen Jahresexamen teilnehmen und die Schülerinnen aus dem Bagrot Tal gehörten zu den Besten.

Auf Druck der Eltern wurden vom Staat in kleineren Dörfern des Tals Grundschulen für Mädchen errichtet und im größten Dorf Farfui eine Mittelschule.

Heute werden die Klassen 1 bis 10 der Monika Girls High School von staatlichen Lehrkräften unterrichtet, die Lehrer der Collegeklassen 11 bis 14 werden weiterhin privat finanziert. 240 Schülerinnen besuchen die High School und über 80 Studentinnen das College.

In der Hihgschool werden die Schülerinnen in den gleichen Fächern wie bei uns unterrichtet. Nur Sport, Musik und Kunst gibt es nicht. Die wichtigsten Unterrichtsfächer auf dem College sind: Urdu, Englisch, Soziologie, Pädagogik, Landeskunde und Wirtschaft.

Zeugnisausgabe Bagrot Tal

Monika verteilt die College-Zeugnisse an die Studentinnen (2006)

Wie hat die Schule das Leben der Menschen im Tal verändert?

Monika mit zwei Studentinnen

Die Absolventinnen der Schule arbeiten heute als Krankenschwestern, Lehrerinnen, Polizistinnen oder Praxisassistentinnen, haben eigene Geschäfte eröffnet, andere haben studiert oder studieren noch.

Mit der Bildung der Frauen hat sich die Gesamtsituation im Tal verbessert, die Frauen tragen mit ihrer Arbeit zum regelmäßigen Einkommen der Familien bei, das Heirats- und Gebäralter ist gestiegen, was gesündere Mütter und Kinder zur Folge hat. Es hat ein Wandel in den Bereichen Hygiene, Ernährung, Säuglingspflege und Gesundheitsvorsorge stattgefunden.

Und die Mädchen und Frauen sind selbständiger, unabhängiger und selbstbewusster.

Seit dem Jahr 2012 wurden auch Schüler und Schülerinnen mit Beeinträchtigungen unterrichtet. Wurden die Kinder früher versteckt, konnten sie jetzt zur Schule gehen. Die gehörlose Lehrerin Nabila unterrichtete gehörgeschädigte Kinder in der offiziellen Gebärdensprache und in den üblichen Schulfächern.

Das Inklusionsprojekt wurde tatkräftig von der BBS der Heinrich-Haus gGmbh, einer Berufsschule für junge Menschen mit Behinderung in Neuwied und von bezev (Behinderung und Entwicklungszusammenarbeit e.V.) unterstützt.

Lehrerin Nabila (rechts) mit ihren Schülern

Seit 2019 gab es keine neuen, gehörgeschädigten Schüler im Tal, die älteren Schüler konnten auf eine neue Förderschule mit Internat in Gilgit, der Provinzhauptstadt, wechseln. Das Projekt endete daher 2019, auch Nabila unterrichtet jetzt in Gilgit.

Die Schüler der BBS erhielten für ihr Engagement in Jahr 2015 den Europapreis, mit dem Initiativen für Völkerverständigung auszeichnet werden und im Januar 2020 den „ACT! Eine-Welt-Schulpreis“, der vom Entwicklungspolitischen Landesnetzwerk Rheinland-Pfalz e. V. (ELAN) in Kooperation mit dem Ministerium für Bildung für herausragende Aktionen an Schulen verliehen wird. Heute unterstützen sie das Hauptprojekt.

Einweihung der Monika Girls Higher Secondary School Datuchi

Ein Klassenraum heute

Lehrehrinnenzimmer

Und so hat Monika mit einer anfangs kleinen Initiative, mit viel Ausdauer und mit Hilfe anderer toller Menschen ein ganzes Tal verändert und das Leben der Menschen positiv beeinflußt.

Monika forschte damals zum Thema „Kulturwandel“, heute arbeitet sie für das Raphaelswerk in Hamburg, wo Menschen beraten werden, die befristet oder dauerhaft in einem anderen Land leben wollen.

Sie fährt jährlich in das Bagrot-Tal, um die Menschen, die ihr so ans Herz gewachsen sind, zu besuchen. Manchmal wird sie von Freunden begleitet, die das Projekt seit Jahren unterstützen. Sie sind von den Menschen im Tal begeistert. Ihre Besuche nutzt sie auch, um mit Politikern und Entscheidern ins Gespräch zu kommen und immer wieder in kleinen Schritten die Situation der Bagroti zu verbessern.

2019 wurde die Schule als Higher Secondary School (= College) anerkannt und der Provinzminister für öffentliche Infrastruktur verlieh der Schule offiziell den Namen „Monika Girls Higher Secondary School Datuchi“. Es wird aber noch ein paar Jahre dauern, bis das College auf staatlicher Basis betrieben wird.

Dieses Jahr musste aufgrund der Pandemie der schon geplante Besuch abgesagt werden. Alle Schulen in Pakistan wurden geschlossen, seit dem 15. September werden sie nach und nach geöffnet. In der Zwischenzeit haben die Schülerinnen aus Monikas Schule zuhause gelernt und sich auf ihre Prüfungen vorbereitet. Jetzt kehrten sie zurück, der Unterricht findet, wie gesetzlich vorgeschrieben, mit Maske, Desinfektionsmitteln und Fiebermessung statt. Auch dafür werden Spendengelder gebraucht. Bei Verstössen können ganze Schulen wieder geschlossen werden.

Monika hofft im Frühjahr 2021 wieder nach Pakistan reisen zu können.

Ein bisschen die Welt retten

Die Kosten für die Lehrkräfte am College, die Schulmaterialien und Ausstattung der Schule werden weiterhin von Privatpersonen und über Vereinsaktivitäten des Forums Kinder in Not e.V. finanziert.
Man kann an den Verein spenden, mit dem Stichwort „Pakistan“. Man bekommt für die Spende auch eine Spendenbescheinigung.

Viele Spenden kommen durch tolle Aktionen zusammen, wie z.B. ein Lesemarathon von Schülern, diverse von Schülern organisierte Spendenaktionen, Spenden statt Geschenke, wo sich Geburtstagskinder und Jubilare von ihren Gästen Spenden für das Projekt wünschen und vieles mehr.

Vielleicht finden sich ja in Eilbek Nachahmer und Eilbek verändert die Welt. Ein bisschen.

Spendenkonto:
Forum Kinder in Not e.V.

IBAN: DE31641500200002753609

BIC: SOLADES1TUB

Kreissparkasse Tübingen

Wenn ihr mehr über das Projekt erfahren möchtet, findet ihr Infos auf folgenden Webseiten:

Die Seite des Projektes, hier findet ihr auch jährliche Berichte: http://www.bagrote.net

https://www.forum-kinder-in-not.de/htmls/bagrot_pakistan.html

https://heinrich-haus.de/heinrich-haus/presse/detail/news/bbs-heinrich-haus-mit-act-eine-welt-schulpreis-ausgezeichnet/